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Umfolozi Park 1

28.10.2012
Am nächsten Morgen erwartet uns ein reichhaltiges Frühstück, dem mit Sicherheit besten Frühstück unserer gesamten Reise, mit frischen Früchten, Spiegeleiern, Käse und Schinken. Mit uns am Tisch sitzt eine Familie aus Bremen, die bereits eine weite Tour durch Südafrika hinter sich hat. Wir packen einen kleinen Rucksack mit Dingen, die wir auf unserer fünftägigen Wanderung durch den
Umfolozi Park benötigen und deponieren den Rest unseres Gepäcks im Guesthouse. Danach machen wir uns auf ins Abenteuer.

Es sind knapp 50 Kilometer bis zum Gate des Parks. Wir passieren zahlreiche teils heruntergekommen wirkende Dörfer. Auf den Straßen herrscht ein lebhaftes Treiben, immer wieder müssen wir stoppen, da Rinder die Straße überqueren oder es sich auf dem Asphalt bequem gemacht haben. Wir erreichen das Gate und werden zunächst registriert. Ein ziemlich unfreundlicher Ranger raunzt uns an „You are much too late for the trail“. Nach kurzer Diskussion stellt sicher heraus, dass er irrtümlich geglaubt hat, wir würden an dem "11 Uhr Trail" teilnehmen. Am Parkeingang erhalten wir ein Informationsblatt, in dem Fahrwege, Beobachtungs- und Picknickplätze verzeichnet sind, besser ist allerdings der Kauf der illustrierten Kartenmappe, die ebenfalls hier für 30 Rand angeboten wird. Sie enthält eine detaillierte Gebietsübersicht, Angaben von Entfernungen, sehenswerte Beobachtungsplätzen mit Hinweisen und Illustrationen zu dem vorkommenden Wildlife.

Der 1895 gegründete
Hluhluwe/Umfolozi Park ist der älteste Wildpark Afrikas. 1989 wurden die beiden Sektionen zu einem zusammenhängenden Park zusammengefügt. Umfolozi ist dabei doppelt so groß wie sein bekannterer Bruder Hluhluwe. Der Park umfasst über 1000 Quadratkilometer und ist somit das drittgrößte Naturschutzgebiet in Südafrika. Der Park ist ein „Big 5 Park“, aber seine Bekanntheit verdankt er im Wesentlichen seinem Nashornbestand. Nirgendwo auf der Welt leben mehr Rhinos als hier im Park.
 Auch Löwen, Büffel und Giraffen entdeckt man in dem von der Fläche deutlich kleineren Park als im sehr viel berühmteren Krüger Nationalpark. Der Park enthält große Baumsavannengebiete und eine große Überschwemmungsebene, die in der Regenzeit von den Flüssen White und Black Imfolozi beherrscht wird.

Nachdem die Prozedur am Gate erledigt ist, dürfen wir endlich in den Park einfahren. Unmittelbar hinter dem Gate gabelt sich die Straße: Rechts geht es in den Hluhluwe Sektor, links zum Imfolozi. Bis zum Mpila Camp, dem Hauptcamp und Parkbüro des Imfolozi-Sektors ist es noch eine gute halbe Stunde Fahrt über eine von tiefen Schlaglöchern übersäte Straße. Unterwegs sehen wir bereits das erste White Rhino (Breitmaul-Nashorn), das friedlich am Wegesrand grast sowie viele andere Tiere, wie Zebras, Gnus, Giraffen und aus der Ferne auch zwei Elefanten.

Immer wieder bewundern wir auch die fast zerbrechlich wirkenden Impalas, die in großer Stückzahl den Park bevölkern. Wenn sie bei Gefahr flüchten, machen sie meterlange geschmeidige Sätze, und wir können uns an diesem anmutigen Bild kaum satt sehen.

Im Mpila Camp werden wir noch einmal für den von uns gebuchten fünftägigen Explorer Trail registriert. Alle Trails können ausschleßlich gebucht werden über KZN Wildlife. Pro Person kostet unser Trail mit vier Übernachtungen und Vollverpflegung 3.025 Rand. Nachdem wir die Entrance Fee von 110 Rand pro Person und Tag entrichtet haben und unterschrieben haben, dass wir uns auf dem Trail auf eigenes Risiko bewegen, werden wir angewiesen, uns um 14 Uhr im Mndindini Bushcamp einzufinden. Eine Zeit lang fahren wir noch durch den Park und steuern dann pünktlich unser Bushcamp an.

Die Dustroad zum Bushcamp darf ausschließlich von Teilnehmern der Trails befahren werden, ab dem Camp beginnt dann die Wildnis des Parks ohne jegliche Wege, die nur noch zu Fuß (oder mit dem Kanu über den Fluss) erkundet werden kann. Das Ökosystem von Flora und Fauna ist ausschließlich sich selbst überlassen und wir „Auserwählten“, die diesen Sektor betreten dürfen, sind aufgefordert, nichts als unsere Fußspuren hier zu hinterlassen!


Der Explorer Trail gilt für viele als einer der besten Trails im Umfolozi Park, da er den Primitive Trail, bei dem man ausschließlich unter freiem Himmel übernachtet und den Base Camp Trail mit Übernachtungen in Safari Tents kombiniert. Das Erlebnis, unter freiem Himmel mitten in der Wildnis zu übernachten, stand bei unserer Buchung ganz weit im Vordergrund und der Explorer Trail war Anfang November die letzte Möglichkeit, dieses Abenteuer zu erleben. Mitte November werden aufgrund der einsetzenden Hitze alle Trails geschlossen.

Als wir im Camp ankommen, streunt gerade eine Gruppe von Pavianen rund um die Zelte herum. Ein großer Pavian Mann schnappt sich plötzlich einen mit Rusks (südafrikanische Hartkekse) gefüllten Eimer und verschwindet im Busch, verfolgt von einer beleibten schwarzen Köchin mit weißer Plastikschürze, die gestikulierend und fluchend hinter dem dreisten Pavian hinterherläuft. Natürlich ist der Pavian schneller, und Constance, unsere Köchin für die Zeit im Basecamp, wie sich später herausstellt, gibt schließlich ihre Verfolgungsjagd auf.

Unsere beiden Ranger treffen schließlich auch ein und stellen sich vor. Sicelo ist der Leading-Guide, Mphile ist noch in der Ausbildung und ist der sogenannte Back-Up auf der Tour. Unsere Gruppe besteht insgesamt aus fünf Personen, außer uns ist noch ein weiteres Paar mit dabei, Keara aus Irland und Tor aus Norwegen, sowie Cooper, ein Ranger aus einem Nationalpark in den USA (Mount Rainer Nationalpark). 
Kurz werden uns noch einmal die Verhaltensregeln mitgeteilt, die wir bereits auf der KZN Website gelesen haben: Auf dem Trail sind Uhren und Mobiltelefone und natürlich auch Laptops strengstens verboten, um das „Wildernes Experience“ ohne jegliche störenden Einflüsse der Zivilisation erleben zu können. Zudem herrscht absolute Schweigepflicht während der Bush Walks. Wenn jemand etwas entdeckt, tut er dies kund, in dem er drei Mal mit der Zunge schnalzt. Man sollte sich viel häufiger auf solche Wildnis-Erlebnisse einlassen, in denen man sich von sämtlichen zeitlichen Abhängigkeiten, Verabredungen und sonstigen Dates verabschiedet. Auf diese Weise wird das Naturerlebnis deutlich intensiver - dies wird uns in den kommenden Tagen wieder einmal klar werden.

Wir beziehen unser Safari Tent, das auf einer hölzernen Plattform steht und zwei bequeme Einezlbetten enthält. Nachdem wir uns eingerichtet haben, machen wir unsere erste kurze Erkundungstour in der Nähe des Camps. Wir erhalten eine kurze Einführung in die Verhaltensregeln beim Aufeinandertreffen mit Nashörnern: Wir sollen uns auf Kommando der Ranger langsam vom Tier entfernen und möglichst hinter einen Busch oder Baum „verstecken“! Nashörner können mitunter sehr aggressiv werden, insbesondere, wenn sie mit Jungtieren unterwegs sind.

 
Schon nach kurzer Zeit treffen wir auf eine tiefe aufgewühlte Kuhle und Sicelo erklärt, dass die White Rhinos mit diesen Kuhlen ihr im Durchmesser rund zwei Kilometer großes Revier markieren. Die Kuhlen der White Rhinos, die im ganzen Busch anzutreffen sind, sind die reinsten „Shopping-Malls“ im 

Ökosystem: Dung-Beetle finden sich hier in Massen ein und rollen in Scharen ihre Dung-Kugeln vor sich her. Sie sind wiederum die reinsten Leckerbissen für Ibisse und andere Vögel, die ihrerseits von anderen Räubern gejagt werden!
Die Black Rhinos sind im Gegensatz zu ihren Vettern nicht territorial und streifen ohne festen Standort durch den Busch auf der Suche nach Sträuchern und Büschen, ihrer Hauptnahrungsquelle. Wenn White Rhinos und Black Rhinos aufeinandertreffen, kommt es nie zum Kampf, da die beiden Spezies völlig unterschiedliche Nahrungsquellen haben (White Rhinos fressen ausschließlich frisches Gras). Dringt hingegen ein White Rhino in das Territorium eines Artgenossen ein, so kommt es auf die Verhaltensweise an, ob der Revierbesitzer sein Territorium verteidigt oder nicht. Kommt der Eindringling mit gebeugter, demütiger Haltung in das Revier des Artgenossen, so kann ein Kampf vermieden werden, richtet er sich hingegen auf, signalisiert er damit, dass er dem Artgenossen das Revier streitig machen will. Die Namensgebung „White and Black Rhino“ ist übrigens keinesfalls Ausdruck einer unterschiedlichen Färbung, beide Arten sind grau. Das White Rhino hat seinen Namen im Grunde wegen eines Missverständnisses erhalten: Der Name basiert auf  das englische Wort „Wide“, was auf Deutsch „breit“ bedeutet und lediglich auf die Form des Maules hinweist (= Breitmaulnashorn). Sein spitzmäuliger Vetter, das Black Rhino, weist hingegen eine deutlich schmalere Kopfform auf.

Rhinos sind nach wie vor vom Aussterben bedroht. Von den Black Rhinos leben lediglich 250 Exemplare im Park (bei Gründung des Parks gab es weltweit nur noch 50 Tiere!), während sich die White Rhinos in den letzten Jahren in rasantem Tempo vermehrt haben - rund 1.700 Tiere werden mittlerweile gezählt. Der Hluhluwe/Umfolozi Park ist dafür bekannt, den Tieren einen sicheren Lebensraum zu bieten, dennoch dringen auch hier immer wieder Wilderer in den Park ein, um  sinnlose Jagd auf die Hörner zu machen. Immer noch halten einige hirnlose Individuen vorzugsweise im asiatischen Raum die pulverisierten Hörner für ein potenzsteigerndes Mittel und zahlen horrende Preise dafür, dabei könnten sie mit identischem Ergebnis auch ihre eigenen Fußnägel verkonsumieren!


Auf unserem weiteren Weg zeigt uns Sicelo frische Spuren von Büffeln, Giraffen, White Rhinos (immer mit der typischen W-Form an der Ferse). Wir folgen eine Zeit lang einer Elefantenfährte, nachdem wir ganz frischen, noch warmen Dung entdeckt haben. Leider sind die Tiere bereits weitergezogen, so dass wir sie am heutigen Tag nicht mehr einholen können.

Schon bei unserer ersten Begegnung mit der unberührten Wildnis im Umfalozi Park beeindrucken uns insbesondere die Farben des afrikanischen Frühling in hellen Grüntönen und zahllosen kleinen Blüten, die nach der langen Trockenperiode nunmehr überall aus dem Boden sprießen.

 

Am Abend hat Constance extrem leckere Spaghetti Bolognese gekocht, dazu gibt es Salat und eine Flasche unseres mitgebrachten Rotweins. Alkoholkonsum ist auf allen Trails im Umfolozi Park nur in mäßigen Umfang erwünscht. Wir erhalten eine kleine Einführung in die Philosophie der Wildernes Trails im Park. Grundsätzlich sollten sich alle Teilnehmer auf die Wildnis einlassen und eins werden mit der Natur. „Open your heart for the wildernes“, mahnt Sicelo an diesem Abend. „Die Tiere spüren ganz genau, ob die Menschen, die in ihren Lebensraum vordringen, ihr Herz für sie geöffnet haben“!

Später berichtet er davon, wie er zu einem Ranger im Umfolozi Park geworden ist. Er sei in einem ärmlichen Rondavell dörflich aufgewachsen und habe als kleiner Junge den Umfolozi Park auf Streifzügen durch die Wildnis mit seinem Vater – damals ebenfalls ein Ranger des Parks - lieben gelernt. Später habe er als Volunteer im Park ohne jeglichen Lohn gearbeitet, bis er eines Tages auf einen Weißen traf, dem er auf einer einsamen Landstraße bei einer Reifenpanne behilflich war. Dieser Mann war ein Manager einer großen Wildlife Organisation aus Durban, der ihn zu einem Vorstellungsgespräch einlud und dem „völlig unbedarften, ärmlichen Jungen vom Land“ eine Chance gab, Wildlife Management zu studieren.

Bevor wir uns in unser Safari Tent zurückziehen, gibt uns Sicelo noch Anweisungen, wie wir uns verhalten sollen, wenn wir nachts zur Toilette gehen müssen. „Remember you are in the wildernes! Don´t go out if you see any eyes!“ Wir sollen zunächst unter unsere Plattform leuchten, ein bevorzugter Rückzugsplatz in der Nacht für wilde Tiere. Danach heißt es, 360 Grad um uns herum mit der Taschenlampe zu leuchten und nach Augenpaaren Ausschau zu halten. Fast alle Wildtiere im afrikanischen Busch haben einen genetischen Vorteil ausgebildet, der ihnen einen bessere Nachtsicht ermöglicht. Eine reflektierende Membran hinter der Iris verstärkt selbst das kleinste Licht eines weit entfernten funkelnden Sterns, was dazu führt, dass die Augen sehr stark reflektieren, wenn man sie mit einer Lampe anstrahlt. Großkatzen haben die beste Nachtsicht von allen Spezies, um besser im Dunkeln jagen zu können.


Wir fallen umgeben von ungewöhnlichen Geräuschen des nächtlichen afrikanischen Busches in einen tiefen Schlaf und sind nicht traurig, dass wir in dieser Nacht nicht auf die Toilette müssen!

29.10.2012
Bei Tagesanbruch werden wir durch ein lautstarkes Vogelkonzert geweckt. Seit wir im Camp sind, haben wir jegliches Zeitgefühl verloren, ausschließlich die Natur und ihre Geräusche geben hier Draußen zeitliche Orientierungspunkte. Wir nehmen eine letzte Dusche, bevor die Wildnis ruft. Es gibt sogar heißes Wasser, ein Komfort, den wir hier gar nicht erwartet hatten. Dusche und WC verfügt über keine Tür. Wenn jemand eine der beiden Gemeinschaftseinrichtungen benutzt, hängt er einfach das an einer Kette hängende Schild „Occupied“ auf, um dem Nächsten zu signalisieren, das er sich eine Weile gedulden muss.

Am anderen Ufer des White Umfolozi grast friedlich eine Herde Büffel. Es handelt sich um „verrentete Büffel“. Die „Präsidenten“ einer Herde werden von jüngeren Bullen permanent einem Stärketest unterzogen, solange bis sie unterliegen und die Herde verlassen müssen. Danach tun sie sich zusammen mit anderen „Ex-Präsidenten“ und ziehen gemeinsam durch die Steppe. Diese Herden gelten als aggressiv und besonders gefährlich - man sollte ihnen tunlichst nicht zu nahe kommen.



Zu unserem letzten Frühstück im Camp vor unserem Aufbruch in die Wildnis serviert uns Constance Toast mit Rührei und Speck, dazu gibt es den in Afrika überall erhältlichen Nescafe. Man kann sich an so manche Gewohnheiten in fremden Ländern gewöhnen, Nescafe gehört jedoch definitiv nicht dazu. Überall um uns herum gibt es etwas zu beobachten, Buschhühner, Swainson-Frankoline (genannt „Aretha Franklins“), die etwas unbeholfen über den Rasen staksen, ein einzelnes Gnu am anderen Flussufer oder einen einsamen Elefantenbullen, der gemütlich den Fluss durchquert.


Danach packen wir unsere Rucksäcke. Neben den persönlichen Dingen muss jeder Teilnehmer auch Gegenstände für den allgemeinen Bedarf, wie Kochtöpfe, Kessel und Lebensmittel, in seinem Rucksack verstauen. Auf diese Art und Weise kommt sicher ein Gewicht von rund 20 Kilo pro Rucksack zu Stande. KZN Wildlife stellt allen Teilnehmern folgendes Equipment zur Verfügung:
Erste Hilfe Kit, Trinkflasche, Toilettenpapier, Lebensmittel, großer Rucksack, Messer, Löffel, Tasse und Teller, Plane und Isomatte zum Unterlegen für den Schlafsack, Regenplane, Schlafsack, Kochtöpfe.

Die Teilnehmer sollten an folgende Dinge denken:
Shirts mit gedämpften Farben, Unterwäsche, Shorts, eine lange Hose, Hut, Badehose/Badeanzug, leichte Regenjacke, warme Jacke, Sonnencreme, Kopftaschenlampe mit Ersatzbatterien, Insekten Repellant gegen Zecken („Peaceful Sleep“ ist auch perfekt gegen Zecken), gut eingelaufenen Hiking Boots, ein Paar leichte Sandalen, persönliche Toilettenartikel inklusive umweltfreundlicher und abbaubarer Seife, Fernglas, Kamera, Field Guide Buch, Notizbuch.
Nach unseren Erfahrungen empfehlen wir dringend, eine gute, selbstaufblasbare Therm-a-Rest Isomatte mitzunehmen, da die gestellten Isomatten recht dünn und unbequem sind.


Danach brechen wir endlich auf. Im „Gänsemarsch“ laufen wir hintereinander her, Sicelo hat die Führungsposition, Mphele ist der Back Up. Beide Ranger sind bewaffnet mit einem Gewehr, das sie im absoluten Notfall einsetzen können. Sicelo führt uns direkt hinunter zum Fluss, wo wir die erste Flussdurchquerung absolvieren müssen. Aufgrund der zahlreichen Krokodile im und am Fluss ist hier äußerste Vorsicht geboten. Sicelo geht ein Stück voraus und prüft, ob in unmittelbarer Ufernähe eines der gefürchteten Reptilien auf uns lauert.

 

Zumindest finden wir frische Fährten eines kleineren Exemplars, das hier vor nicht allzu langer Zeit in den Fluss gestiegen ist. Wir ziehen unsere Boots aus und beginnen die Durchquerung. Das Wasser ist eine einzige braune Brühe (durch den aufgewühlten braunen Sand) und völlig undurchsichtig. Ein mulmiges Gefühl begleitet zunächst jeden Schritt, da man nicht sieht, wohin man tritt! Die hier vorkommenden Nilkrokodile können nahezu sechs Meter lang werden (die Männchen, Weibchen werden „nur“ bis zu vier Meter groß). Die großen Tiere sind nur in tieferem Wasser nicht zu sehen – solche Bereiche des Flusses sollte man tunlichst meiden! Wir erreichen ohne Zwischenfall das andere Flussufer, die Erleichterung der Teilnehmer ist spürbar.

Auf der anderen Uferseite finden wir Spuren eines White Rhinos. Diese unterscheiden sich durch eine „w-förmige“ Ferse, während die Fährte des Black Rhinos abgerundet ist. Immer wie
der gehen wir an kleinen und großen Wasserlöchern vorbei. Sicelo erklärt, dass jedes einzelne von ihnen durch Gnus entstanden ist. Zur Reviermarkierung kratzt das Gnu mit seinen Hörnern und seiner Stirn die Oberfläche des  Bodens auf und gibt ein Sekret aus einer Drüse neben den Hörnern ab. Durch die permanente Nutzung der Löcher werden diese größer und größer und werden später, wenn sie Wasser und Schlamm enthalten zu einer Art „Spa“ unter anderem für Nashörner, in dem genussvolle Schlammbäder genommen werden können. Gnus sind vielfach in Gemeinschaft mit Zebras und Impalas zu finden. Auf diese Weise können sich die Tiere gegenseitig vor gemeinsamen Fressfeinden warnen.

 Auf einem sonnigen Plateau lassen wir unsere Rucksäcke zurück und setzen unseren Weg ohne den schweren Ballast fort. Dort liegt der Schädel einer Giraffe, der längst Geiern ein Festmahl bereitet hat. Ab und zu schwirrt eine knallrot gefärbte Grille, deren knallige Färbung allerdings erst im Flug sichtbar wird (aber auch sitzend sieht das Insekt wundervoll aus!), mit lautem Brummen an uns vorbei. Mit der leuchtenden Färbung signalisiert sie ihren Fressfeinden, dass sie giftige Zyanide in sich trägt. Ihr unbeholfener Flugstil erinnert fast an einen Hubschrauber.

Maskenweber, Weibchen (im Hintergrund Männchen)

Wir stoßen auf ein riesiges, rund 150 Jahre altes Wasserloch, ebenso entstanden wie all die anderen kleinen! In einem Baum hängen zahlreiche Nester, die von gelben Maskenwebern umschwirrt werden. Die Männchen sind für den Bau der Nester zuständig und hängen diese an über Gewässer ragende Zweige auf. Während des Baus wird der Baumeister von seiner Gefährtin genauestens beobachtet. Wenn er nach tagelangen Mühen mit dem Rohbau fertig ist, schwirrt er aufgeregt von Ast zu Ast und seine Frau kommt zur "Bauabnahme". Wenn das Weibchen nicht zufrieden ist mit dem Werk, hackt sie kurzer Hand solange auf dem Verbindungsknoten, bis das "durchgefallene Nest" ins Wasser fällt und dort dasselbe Schicksal diverser anderer Nester teilt. Die lautstarken Beschwerden des Vogelmanns nutzen nichts, er muss von vorne anfangen, wenn er sein Weibchen nicht verlieren will.

Aus der Ferne sichten wir ein Nashorn und auch eine Hyäne, die sofort Reißaus nimmt, nachdem sie unsere Witterung aufgenommen hat. Der Wind steht ungünstig, da er aus unserer Richtung kommt und uns die Tiere frühzeitig riechen. Zurück bei unseren Rucksäcken, sichten wir einen wundervoll purpurfarbenen Amethyst Glanzstar. Wieder einmal hat die Natur dem Männchen eine prachtvollere Farbe zugeteilt als den Weibchen, die unscheinbar braun sind.

Amethystglanzstar, Männchen (Violett-backed Starling)

Wir bereiten unser Lunch auf einem Felsen zu. Es besteht aus Toastbroten, wahlweise belegt mit Käse, Salami, Tomaten und einem scharfen Chutney. In der Wildnis, geradezu archaisch zubereitet, schmecken die Sandwiches unglaublich lecker! Vom Plateau aus zeigt uns Sicelo unser „new home for today“, eine Felsplattform auf der gegenüber liegenden Uferseite. Allen wird sofort klar: Das bedeutet eine erneute abenteuerliche Flussüberquerung! Unterwegs sammeln wir trockenes Holz für das nächtliche Campfire und natürlich auch um Feuerholz zum Kochen zu haben. Auch unsere zweite Flussüberquerung verläuft reibungslos. Man gewöhnt sich relativ schnell daran und hört auf, jede Sekunde und jeden Schritt an die im Fluss lauernden Ungetüme zu denken!

Auf der Felsplattform richten wir unser Lager ein, so lange es noch hell ist. Mphele beginnt, nachdem das Campfire entfacht ist, mit der Zubereitung des Abendmahls. Mit Sicelo laufen wir hinab zum Fluss, um ein kleines Bad zu nehmen – sehr erfrischend nach dem anstrengenden und langen Fußmarsch am heutigen Tag. Wir füllen unsere Wasserflaschen mit dem braunen Flusswasser und desinfizieren es mit drei Tropfen pro Liter einer keimabtötenden Flüssigkeit. Wir hätten nie gedacht, dass wir jemals eine solch braune Brühe trinken würden, aber hier draußen in der Wildnis hat man keine andere Wahl. Letztlich werden wir den Genuss des Wassers bestens vertragen und haben später keinerlei Magen-/Darmprobleme!

Als wir zum Camp zurück kommen, duftet es bereits verlockend vom Campfire. Mphele hat ein Rindfleisch Stew zubereitet, dazu gibt es Maismehl, eines der Grundnahrungsmittel der schwarzen Bevölkerung in Südafrika. Als Löffel zum Umrühren dient ihr beim Kochen ein abgebrochener Ast – funktioniert genauso gut wie ein Kochlöffel, den man extra hätte mitschleppen müssen! Das Stew schmeckt köstlich und wir haben während des Essens noch anregende Gespräche am Campfire. Den Abwasch erledigen wir mit Sand, der ebenso wie das beste Spülmittel alle Rückstände auf den Tellern restlos beseitigen kann!

Wir erhalten unser Briefing zur „Nightwatch“. Jeder Teilnehmer muss eine Nachtwache von 1,5 Stunden übernehmen, die Ranger sind hingegen davon befreit, da sie den ganzen Tag sehr konzentriert für die Sicherheit der Teilnehmer sorgen müssen! Anschließend soll dann der jeweils nächste „Aufpasser“ geweckt werden. Während der Nachtwache müssen wir zu jeder Zeit das Campfire am Brennen halten, da dies Raubtiere vom Camp fernhält. Außerdem sollen wir alle 15 Minuten mit unseren Taschenlampen einmal rund um das Camp leuchten, um die Umgebung nach Augen abzuscannen. Falls irgendjemand leuchtende Augen in Campnähe erspäht, soll er Sicelo wecken. Alle stellen die berechtigte Frage, wie man ohne Uhr denn herausfinden soll, wann 1,5 Stunden vorüber sind? „Don´t mind, you feel it“, lautet die lapidare Antwort. Anschließend begeben sich Sicelo und Mphele zur Ruhe und „überlassen uns unserem Schicksal“! Wir legen fest, dass Corinna die erste Nachtwache übernimmt, ein fataler Entschluss, wie sich später herausstellen soll. Danach bin ich an der Reihe, gefolgt von Cooper, Tor und zuletzt Keara.

Am Horizont braut sich derweil etwas zusammen! Ein Gewitter scheint aufzuziehen, erste Blitze färben den nächtlichen Himmel gespenstisch ein. Aus diesem Grund baut Sicelo vorsichtshalber die beiden Rain Shelters auf, damit wir im Fall der Fälle einen notdürftigen Schutz vor Regen haben. Er meint noch, dass das Unwetter auch vorbei ziehen könnte, das Gewitter denkt jedoch nicht daran! Es kommt immer näher und näher und Sicelo empfiehlt uns schließlich, unser nächtliches Lager unter die Rain Shelters zu verlegen – also kein romantischer afrikanischer Sternenhimmel heute Nacht über uns, wie schade! Nach und nach begibt sich ein Trailist nach dem anderen zur Ruhe. Ich harre noch ein Weile bei Corinna aus, da ich ihre Unruhe angesichts des aufziehenden Gewitters spüre. Mächtige Donnerschläge krachen und gewaltige Blitze zucken kurze Zeit später rund um uns herum auf. Dann fängt es an zu regnen. Die gute Nachricht: Das Gewitter ist vorüber gezogen und die Blitze stellen zumindest keine Gefahr mehr da! Die Schlechte jedoch ist, dass es nach kurzer Zeit wie aus Kübeln schüttet. Ich kann an dieser Stelle nichts mehr für Corinna tun, überlasse sie ihrem Schicksal und begebe mich unter dem Rain Shelter ebenfalls zur Ruhe.

Corinna: Ich melde mich freiwillig für die erste Wache, da ich vermutlich vor Aufregung bis zu meiner Nachtwache ohnehin keinen Schlaf finde. „Also bring ich es lieber gleich hinter mich“,  ist mein Gedanke bei der Einteilung. Mir ist schon etwas mulmig zumute, insbesondere als dann auch noch Wolfram als Letzter in seinen Schlafsack kriecht. Nun bin ich ganz allein auf mich gestellt. Es fängt wieder an zu regnen, so dass ich sogleich mein Regencape aus dem Rucksack krame. Taghelle Blitze erleuchten die Szenerie um mich herum. Eigentlich brauche ich keine Taschenlampe um nach „Augen“ zu suchen. Der Regen wird immer heftiger, so dass ich große Mühe habe, das Feuer am Brennen zu halten. Ich habe keine Ruhe, nur am Feuer auszuharren und leuchte alle paar Minuten unser Terrain ab. Man wird auf einmal sehr sensibel für jegliches Geräusch, das aus dem Busch kommt. Auch fühlt man sich von der ersten Sekunde an verantwortlich für die schlafenden Mitreisenden. Wann sind dann aber 1,5 Stunden vorüber? Nach gefühlten 3 Stunden und einem nur noch qualmenden Feuer wecke ich Wolfram. Ich nehme meine Isomatte und krieche in den Schlafsack, in der Hoffnung, nun etwas Schlaf zu finden.

Der Regen wird immer heftiger und Wasserströme laufen nach einer Weile unter meiner Isomatte hindurch. Sicelo, der ebenfalls sein Lager unter unserer Plane eingerichtet hat, wechselt schnell unter das andere Rain Shelter, wo sich mittlerweile fünf Personen dicht an dicht drängen. Ich versuche während dessen, unsere Schlafsäcke an trockenere und etwas höhere gelegene Bereiche des Felsens zu verlegen, damit zumindest die Schlafsäcke trocken bleiben, das gelingt mehr schlecht als recht. Nach einer ganzen Zeit kommt Corinna schließlich zu unserem provisorischen Zelt – sie ist klatschnass - und ich übernehme die nächste Schicht.

Zunächst hole ich auch mein Regencape aus dem Rucksack heraus, um mich wenigstens notdürftig vor dem Regen zu schützen. Gleich zu Beginn meiner Nachtwache keimt Hoffnung bezüglich des Wetters auf: Der Himmel klart sichtbar auf, die Wolken ziehen davon und machen den Weg frei für einen eindrucksvoll glitzernden Sternenhimmel inklusive Vollmond. Die Sandbank gegenüber wird dadurch in ein gespenstisches Licht getaucht. Fehlen nur noch die Löwen oder Leoparden, die auf ihrem nächtlichen Streifzug am Flussufer entlang laufen! In diesen Genuss komme ich aber leider während meiner Nachtwache nicht. Dennoch herrscht um mich herum eine wahnsinnig spannende Atmosphäre mit den fremdartigen Geräuschen des nächtlichen Busches. Da das Holz des Campfires nach dem Regen feucht geworden ist, ist es nicht gerade einfach, das Feuer am Brennen zu halten. Immer wieder muss ich dem Feuer mit Hilfe eines Topfdeckels Luft zu fächern, um es neu zu entfachen. So habe ich während meiner Nightwatch rund um die Uhr etwas zu tun. Auf meinen regelmäßigen Rundgängen rund ums Lager passiert nichts weiter Aufregendes. Sicelo hatte Recht – während der Nachtwache bekommt man ein Gefühl dafür, wann 1,5 Stunden vorüber sind. Vermutlich dehne ich meine Wache auf zwei Stunden aus, da der nächtliche Busch ein unvergessliches Erlebnis mit allen Sinnen ist und ich gar nicht so recht zurück in meinen feuchten Schlafsack will!

Schließlich wecke ich Cooper und verlege mein Lager nach Draußen auf den Felsen. Schließlich möchte ich unbedingt in den Genuss kommen, die Nacht unter diesem fantastischen afrikanischen Sternenhimmel zu verbringen. Gerade beginne ich mich in meinen Schlafsack zu kuscheln, als erneut ein feiner Nieselregen einsetzt. „Das wird schon in wenigen Minuten wieder aufhören“, denke ich. Die erneut aufziehenden schwarzen Wolken verheißen jedoch etwas anderes. Corinna kommt ebenfalls unter dem Rain Shelter hervorgekrochen und meint, dass sie bis auf die Knochen nass ist, ihr Schlafsack ebenfalls. In diesem Schlafsack kann sie unmöglich die Nacht verbringen. Zunächst wechselt sie ihre nassen Kleidungsstücke gegen trockene. Wir richten uns ein gemeinsames Lager und decken uns dann notdürftig mit meinem Schlafsack zu. Das bedeutet, dass wir nun noch härter schlafen als zuvor, da unter uns kein Schlafsack mehr liegt sondern lediglich die dünne Isomatte. Das verspricht eine heitere Nacht zu werden, schon nach wenigen Minuten schmerzen die Knochen.


Außerdem haben wir keinen Schlafsack mehr um uns herum, so dass es sich manch nachtaktives Tier unter unserer Decke gemütlich machen könnte. Wenn Sicelo uns die Geschichte von der Schwarzen Mamba einen Tag eher erzählt hätte, wäre uns sicher in dieser Situation noch mulmiger zu Mute gewesen. In einem ähnlich offenen Camp hier im Busch ist sein Freund vor Jahren im Schlaf von einer Schwarzen Mamba, einer der giftigsten Schlangen Südafrikas, gebiss
en worden. Da es in der Nacht keinen Weg hinaus aus der Wildnis gibt, der eine realistische Überlebenschance verspricht, mussten sie bis zum Morgengrauen warten, um zum nächst gelegenen Camp zu gelangen. Der Freund hat übrigens überlebt. Entweder war es ein sogenannter "trockener Biss" oder die Mamba hat nur eine geringe Dosis Gift abgesondert.

Cooper hat in der Zwischenzeit die Position der Regenplane auf eine trockenere Position auf dem Felsen verlegt. Der Regen wird wieder heftiger, so dass uns nichts anderes übrig bleibt, als erneut den Schutz des Rain Shelters aufzusuchen. Ein zweites heftiges Gewitter zieht über uns hinweg. Durch unser neues Lager fließt nunmehr aber wenigstens kein Wasserstrom mehr hindurch. Bis zum Morgengrauen ist dennoch an Schlaf kaum zu denken, so dass wir ziemlich gerädert aus unserem Unterschlupf kriechen.

Das andere Rain Shelter hat das Unwetter deutlich besser überstanden, Keara steht gut gelaunt und ausgeschlafen am Feuer und auch Tor ist bester Dinge. Beide bedauern aber zutiefst, dass wir eine unruhige und vor allem sehr feuchte Nacht hatten!



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