31. August 2017 – Von Jurkalne zur Kurischen Nehrung (225 Kilometer)
In aller Herrgottsfrühe brechen wir auf zum letzten Ziel unserer Reise, der Kurischen Nehrung. Die Fahrt ist ziemlich unspektakulär, auch der Grenzübertritt nach Litauen fällt kaum auf. Die Fähren zur Kurischen Nehrung verkehren in der Hauptsaison von Kleipeda alle zwanzig Minuten, der Fahrpreis ist mit 30,85 € für Hin- und Rückfahrt stolz, zumal die Überfahrt gerade einmal zehn Minuten dauert. Bei der Einfahrt in den Nationalpark werden wir dann noch einmal mit 20,-- € zur Kasse gebeten. Trotz der Kosten ist es für uns persönlich keine Option, die Kurische Nehrung lediglich als Tagesgast vom Festland aus zu besuchen, da wir als passionierte Fotografen gerade das Morgen- und Abendlicht schätzen!
Die Kurische Nehrung ist eine schmale, aber fast hundert Kilometer lange Landzunge, die das Haff von der Ostsee trennt. Historisch bekannt ist die Kurische Nehrung insbesondere durch eine der wohl größten Schiffskatastrophen aller Zeiten, denn in der Nähe der Nehrung wurde 1945 zum Kriegende hin die Gustlov mit über 10.000 Flüchtlingen an Bord von einem sowjetischen U-Boot abgeschossen. 52 Kilometer der Nehrung gehören heute zu Litauen, 46 zu Russland. Für den russischen Teil, auf dem man bis nach Kaliningrad fahren kann, benötigt man ein Visum. Die Bestimmungen für die Einreise sollen in der nächsten Zeit allerdings nochmal deutlich vereinfacht werden.
Auf direktem Weg fahren wir die rund 50 Kilometer bis nach Nida, wo der einzige Campingplatz der Insel auf litauischer Seite zu finden ist. Nidos Kempingas liegt nicht gerade super-idyllisch, ist dafür aber perfekt ausgestattet und zudem vollkommen ruhig in einem Kiefernwäldchen, etwas außerhalb des Ortes. Da es der einzige Campingplatz auf der Nehrung ist, sind die Stellplatzpreise ziemlich hoch. Sogleich machen wir uns mit den Fahrrädern auf den Weg, das Herzstück der Nehrung, das kleine Örtchen Nida, zu erkunden.
In Nida treffen wir wahrscheinlich auf mehr deutsche Touristen, als zuvor auf unserer gesamten Reise zusammen, darunter viele Busse mit Tagestouristen, die alle Sehenswürdigkeiten im Schnelldurchlauf abhaken. Im Zentrum des Örtchens finden sich viele bunt angetünchte Fischerhäuschen aus Holz, die größtenteils denkmalgeschützt sind. Markenzeichen Nidas sind die dekorativen Kurenwimpel, die früher Auskunft über den Heimathafen und die Herkunft der Fischer am kurischen Haff gaben und gleichzeitig als Windfahne dienten.
Wir radeln an der herausgeputzten Haffpromenade entlang zum interessanten kleinen Friedhof von Nida aus dem Jahr 1732. Ungewöhnlich sind die uralten geschnitzten Grabkreuze, sogenannte Kurenbretter, die nur hier auf der Nehrung zu finden sind. Die Bretter haben die Form von Kröten, da diese das Leben, den Tod und die Auferstehung symbolisieren. Sie wurden am Fußende der Verstorbenen aufgestellt, damit sich diese am Tag der Auferstehung an ihnen aufrichten können!
Nicht weit vom Friedhof liegt das Thomas Mann Haus. Der Schriftsteller ließ hier ein Sommerhaus bauen mit „Rivierablick“. Wenn man auf dem Aussichtspunkt am Haus hinunter auf die Kiefern und die Fischerhäuser auf das Meer schaut, kann man seine Intention dabei verstehen. Leider stört eine unentwegt plaudernde Busladung deutscher Touristen das Idyll.
Eines der landschaftlichen Highlights und touristisches Pflichtprogramm der Kurischen Nehrung ist natürlich die 52 Meter hohe Parnidder Düne, die wir zunächst über die lange Treppe vom Hafen aus besteigen. Auf dem Gipfel befinden sich mehrere, über Holzstege erreichbare Aussichtspunkte. Wenn man einmal die Sossusvlei Düne in Namibia erklommen hat, mag einem dieses Exemplar etwas unspektakulär vorkommen. Das liegt größtenteils daran, dass die Düne in den letzten Jahren mehr und mehr an Höhe verloren hat und Jahr für Jahr stärker überwachsen wird. Größere zusammenhängende Sandflächen sind nicht mehr allzu viele vorhanden.
Wesentlich interessanter ist der mit einem Elch gekennzeichnete Wanderweg, auf dem wir später die Düne umrunden. In der Nähe des Campingplatzes führt eine asphaltierte Straße bis zu einem Parkplatz. „Faule Dünenwanderer“ ersparen sich so die Treppenstufen, mit dem Fahrrad ist der kurze, aber steile Anstieg hingegen ziemlich schweißtreibend! Kurz vor der weithin sichtbaren Sonnenuhr stellen wir unsere Bikes ab und stürzen uns in die "Sandwüste". Wir passieren unter anderem das „Tal des Todes“, benannt nach einem Pestfriedhof, der hier im Mittelalter angelegt wurde. Provisorisch zusammen gezimmerte Kreuze erinnern noch immer daran. Der Wanderweg führt bis an das eingezäunte Grobstas Naturreservat nahe der russischen Grenze heran, dessen Zutritt leider streng verboten ist. Aus der Entfernung bewundern wir die wundervolle, gleißend weiße Skladytoju Düne, mit 65 Metern eine der höchsten Dünen Europas – das ist dann mal eine Düne, wie wir sie uns vorstellen!
Am Abend essen wir in Nida im Sena Sodyba, ein kleines lauschiges, fast privat wirkendes Gartenrestaurant, in dem auch authentische litauische Gerichte angeboten werden. Unter anderem kosten wir gekochte Kartoffeln mit einer leckeren selbstgemachten Knoblauch-Kräuterbutter. Solide und leckere Hausmannskost, ohne zum ganz großen kulinarischen Erlebnis zu werden! Zumindest muss man sich das Abendessen verdienen, wenn man auf dem Campinggplatz wohnt und in Nida Essen gehen möchte. Ein größerer Hügel auf der asphaltierten Stichstraße muss auf dem Weg ins Örtchen erklommen werden!
1. September 2017 – Kurische Nehrung
Heute wollen wir einen Teil der Kurischen Nehrung in einer kombinierten Rad- und Wandertour erleben. Eine hilfreiche Broschüre zu Rad- und Wandertouren gibt es in der Touristeninformation in Nida zu kaufen. Zunächst geht es über die Haffpromenade, die übergeht in den Radweg Nummer 10. Der Radweg ist bestens ausgebaut und führt in das verschlafene Nest Preila. Auch hier bietet nahezu jedes Haus Zimmer oder Apartments an, aber im Vergleich zu Nida herrscht hier totale Ruhe! Unterwegs kommen wir an einigen Vogelbeobachtungstürmen vorbei - leider ist jedoch auf dem Haff ornithologisch nicht allzu viel los. Wir fahren weiter nach Pervalka, an dessen holpriger Uferpromenade schmuck restaurierte Fischerhäuschen stehen. Am Ende des Dorfes stellen wir unsere Räder ab und folgen einem kleinen Pfad, der in Richtung Leuchtturm führt. Auf dessen Felsen haben sich unzählige Kormorane und Möwen niedergelassen.
Die „Toten Dünen“ kommen in Sicht, die wie die Düne in Nida inzwischen stark von Strandhafer, Flechten und anderen Pflanzen bewachsen. Der Pfad ist nur bis kurz vor der Düne begehbar, danach folgt ein Naturschutzgebiet, das nicht betreten werden darf. Leider ist der Himmel wolkenverhangen und es tröpfelt auch immer wieder einmal für eine Weile. An vernünftige Fotos ist kaum zu denken.
Auf gleichem Weg laufen wir zurück und fahren nach Pervalka, wo wir direkt an der Haffpromenade im Restaurant Mariu Akis eine Mittagspause einlegen. Wir bestellen Hechtbarsch mit Pommes. Erstmals haben wir echte Probleme, uns bei der etwas barsch wirkenden Bedienung verständlich zu machen. Man merkt, dass deutsche Touristen an diesem Ort nicht unbedingt ein und ausgehen.
Natürlich wollen wir unbedingt noch den herrlichen Strand der Nehrung sehen. Dieser kleine Abstecher ist jedoch mit Arbeit verbunden, da wir über eine höhere Düne auf die andere Inselseite fahren müssen. Tatsächlich ist der Strand ein Traum, kilometerlang, feinster weißer Sand und malerisch gesäumt von flachen Dünen. Zu schade, dass heute kein Badewetter herrscht!
Anschließend kehren wir zurück nach Nida. In einem Restaurant am Hafen trinken wir Kaffee und bestellen dazu Kuchen. Eine Armee von Sperlingen umringt uns und fliegt bis auf unseren Tisch, in der Hoffnung, einige Krumen abzubekommen. Eigentlich mögen wir domstiziertes Verhalten von Tieren ja nicht besonders, aber das Spektakel ist schon ganz süß!
An unserem letzten Abend wollen wir es uns noch einmal in unserem Wohnmobil gemütlich machen. Die Temperaturen rechtfertigen den kurzzeitigen Einsatz der Heizung und wir bereiten uns ein gemütliches Abendessen mit leckerer Räucher-Makrele und Salat.
2./3. September 2017 – Von der Kurischen Nehrung nach Kleipeda und mit der Fähre nach Kiel
Bei Dauerregen und 12°C erwachen wir heute Morgen. Da wir mit der Fähre in Kiel Sonntag Nachmittag erst ankommen und am Montag bereits wieder die Arbeit für uns Beide ruft, wollen wir unser Wohnmobil möglichst heute bereits komplett säubern. Die Prozedur zieht sich eine ziemliche Zeit hin, zumal wir aufgrund des Regens kaum einen Schritt vor die Tür wagen können!
Nachdem wir den Grau- und Schwarzwassertank unseres Wohnmobils noch entleert und gesäubert haben, brechen wir gegen Mittag schließlich auf. In Juodkranté essen wir noch in dem netten Zwejoné Restaurant an der Durchgangsstraße zu Mittag (u.a. Fischsuppe als Vorspeise für sage und schreibe 1,50 €!) – in diesem kleinen ebenfalls schmucken Örtchen ist Gott sei Dank noch nicht alles in deutscher Hand!
In Kleipeda haben wir noch jede Menge Zeit, so dass wir uns in die Akropolis Shopping Mall begeben. Dort drehen wir eine unmotivierte kurze Runde. Wir wundern uns über die Preise in den Stores, die sich mindestens auf deutschem Niveau bewegen. Angesichts des deutlich geringeren Durchschnittseinkommens der Litauer fragen wir uns, wer sich wohl die teuren Markenartikel hier leisten kann? Am Eingang der Mall befindet sich ein nettes kleines Café, in dem eine litauische Käsespezialität, Dziugas (Hartkäse ähnlich wie Parmesan), verkauft wird. An der Wand prangt ein Foto der Staatspräsidentin Dalia Grybauskaité, die 2013 anlässlich ihrer Wiederwahl und beim Staatsbesuch von Angela Merkel diesen Käse als Willkommensgeschenk überreicht hat!
Anschließend fahren wir zum Hafen und warten auf unsere Einschiffung, die um 18.00 Uhr beginnen soll. Bei diesem fiesen Wetter fällt der Abschied aus dem Baltikum nicht ganz so schwer! Als Wohnmobilist kann man zur Einschiffung getrost auf den letzten Drücker kommen, da man ohnehin als Letztes auf die Fähre gelotst wird. Wer bei der Einschiffung sein Fahrzeug nicht beherrscht, hat sicher ein Problem! Man muss damit rechnen, hin und her rangieren zu müssen. Wir müssen unser 6,30 m langes „Schlachtschiff“ zunächst mehrmals hin und her rangieren, schließlich mit zu beiden Seiten wenigen Zentimetern Luft rückwärts in unsere Endposition einparken. Die zuweilen ziemlich ruppigen Einweiser gehen dabei wenig zimperlich mit Frau/Mann und Fahrzeug um! An Bord beziehen wir die von uns gebuchte Außenkabine (353,-- € inklusive Abendbuffet und Frühstück). Mit einer halben Stunde Verspätung legt die Fähre schließlich nach Kiel ab.
Im Restaurant sitzt man wesentlich stilvoller als im Kantinenambiente beim Buffet, so dass wir beim nächsten Mal sicher diese Variante wählen würden. Das Buffet ist qualitativ ziemlich mäßig, allerdings ist für 14 € auch nicht viel mehr zu erwarten! Die erste Stunde in unserem Kajütenbett ist schaukelig, danach beruhigt sich die See aber offenbar, so dass wir relativ gut schlafen können.
Bei schönstem Wetter genießen wir am nächsten Tag die Überfahrt auf dem Sonnendeck (leider ohne Sonnenstühle).
Markante Punkte an der deutschen Ostseeküste wie die Kreidefelsen von Rügen und der Daarß fliegen an uns vorbei und dann erfolgt auch schon die Einfahrt in die Kieler Bucht und somit dem Ende unserer eindrucksvollen Reise durch das Baltikum.
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