21. September 2013, CKGR, Kori Pan – Piper Pan
Ein Löwenrudel nahe der Campsite und ein fast kitschiger Sonnenuntergang
Nach einer stürmischen Nacht brechen wir zum Sonnenaufgang unser Camp ab, um das Deception Valley zu durchfahren.
Das Tal ist unheimlich wildreich. Wir treffen vor allem auf Oryx-Antilopen- und Springbock-Herden. Allseits macht der Springbock seinem Namen alle Ehre – und das auf kuriose Art und Weise: Mit herabgeneigten Köpfen und Hinterläufen springen die kleinen Antilopen wie Gummibälle bis zu 3,5 Meter hoch. Bis heute weiß kein Mensch, warum die Tiere die merkwürdigen Sprünge vollziehen, möglicherweise aus reiner Lebensfreude!? Eine andere Theorie besagt, dass die Tiere damit Raubtieren signalisieren wollen, dass sie entdeckt worden sind und somit ein Angriff keine Aussicht auf Erfolg hat.
Der Himmel ist bedeckt und ein Sandsturm fegt über die karge Fläche des Tals. Zahlreiche Honey Badger (Honig-Dachse) graben emsig im Erdreich nach Skorpionen, Spinnen und kleinen Reptilien. Diese kleinen Geschöpfe sind bei vielen Tieren wegen ihrer Aggressivität berüchtigt, da sie auch nicht davor zurückschrecken, büffelgroße Tiere zu attackieren. Sie sind immun gegen Schlangengifte, selbst eine grüne Mamba oder eine Puffotter können ihnen nichts anhaben. Interessant ist die Symbiose mit einem kleinen Specht, dem sogenannten „Honiganzeiger“: Der Honiganzeiger weist dem Honey Badger den Weg durch lautes Rufen zu Bienennestern. Der Dachs bricht die Waben auf, da er sich insbesondere für den süßen Honig interessiert, während der Vogel die Bienenlarven vertilgt.
Honey Badger (Honigdachs)
Riesige Boden- und Laufvögel, wie zum Beispiel Riesentrappen (135 cm), die kuriosen hochbeinigen Sekretärvögel (bis 150 cm) mit ihren roten "Brillen" und viele Strauße kreuzen unseren Weg. Nur in der Kalahari und in Namibia gibt es noch frei lebende Strauße. Es ist ein lustiges Bild, wie diese riesigen Vögel etwas unbeholfen, aber in einem „Affenzahn“ mit Geschwindigkeiten bis zu 70 km/h über die Ebene rennen.
Auch einige der eher nachtaktiven Schabrackenschakale sehen wir – sie suchen schnell das Weite, als wir ihnen zu nahe kommen. Sie gehören zur Gattung der Wolfsartigen (Canis), obwohl ihr Äußeres eher an einen großen Fuchs erinnert. Schabrackenschakale trauen sich häufig sehr nahe an menschliche Behausungen heran, wo sie auch Nutztiere schlagen und daher gnadenlos Jagd auf sie gemacht wird. Dennoch ist die Art derzeit noch nicht vom Aussterben bedroht. In freier Wildbahn gehören erstaunlicherweise auch Antilopen in der Größenordnung von ausgewachsenen Springböcken zu ihrer bevorzugten Beute.
Black-backed Jackal (Schabrackenschakal)
Äußerst niedlich sind auch die überwiegend paarweise anzutreffenden und monogamen Löffelhunde, die sich aneinander kuscheln, um ein bisschen Schutz vor dem Sandsturm in der Ebene zu finden. Ihren Namen verdanken diese Tiere ihren riesigen Ohren, die dem Aufspüren leisester Geräusche von Termiten in deren Bauten, ihrer bevorzugten Nahrung, dienen.
Bat-eared-Fox (Löffelhund)
Die Route durch das Deception Valley hat mit Offroad-Fahren nicht all zu viel zu tun, der Untergrund ist hart und eben. Gleich hinter der Deception Pan, die aus der Entfernung, gleich einer Fata Morgana, wie ein riesiger schwarzer See aussieht, geht die Strecke über in eine Two-Spoor-Sand Piste, ebenfalls aber sehr gut befahrbar, trotz kleinerer Tiefsandpassagen. Wir gelangen zur Abzweigung zur Piper´s Pan und entscheiden spontan, dorthin einen Abstecher zu unternehmen. Die 26 Kilometer lange Piste hat es allerdings in sich. Wir benötigen ca. eine Stunde und werden aufgrund des ruppigen und extrem welligen Untergrundes kräftig durchgeschüttelt. Ähnlich wie Deception Valley gibt es in der weitläufigen Ebene der Piper´s Pan zahlreiche Wildtiere, natürlich auch durch das hier vorhandene permanente künstliche Wasserloch. An der Piper Campsite 2 liegen vielversprechend Gerippe von gerissenen Antilopen – vielleicht kommen wir ja doch noch zu unserem erhofften nächtlichen Erlebnis mit Löwen vor unserem Zelt?
Da wir heute Morgen außer ein paar Rusks nichts gefrühstückt und wahnsinnigen Hunger haben, beschließen wir ein paar Würstchen zu grillen. Es ist durch den nächtlichen Sturm noch immer sehr frisch draußen. Wir bauen unseren 4x4 so auf, dass er uns ein bisschen vor dem Sand schützt. Dennoch wird unser Lunch vom Sand paniert, wir merken es am Knirschen in den Zähnen!
Ein weiterer Game Drive über die Piper Pan steht am späten Nachmittag an. Wir stellen unisono fest, dass uns die Piper Pan von allen Pfannen der CK am besten gefällt. Unzählige Antilopen trotten über die weite Ebene. Die Pfanne strahlt insbesondere in den Abendstunden eine atemberaubende Atmosphäre aus. Längst haben wir beschlossen, unsere Buchung in der Phokoje Pan Buchung sein zu lassen und an diesem phantastischen Ort zu übernachten – eine grandiose Entscheidung, wie sich herausstellen wird. Nochmals fahren wir den Piper´s Loop und beobachten zahlreiche verschiedene Tiere.
Als wir in die Nähe des Wasserlochs gelangen, schlägt mein Puls schlagartig höher. „Ich glaube dort drüben liegt ein Löwe“, flüstere ich zu Corinna herüber. Tatsächlich, dort hat sich mit großer Gelassenheit ein jugendliches Männchen nieder gelassen.
Als wir dem Wasserloch näherkommen, entdecken wir fünf weitere „Kumpels“ ungefähr gleichen Alters. Wir bauen uns in der Nähe des Wasserlochs auf, keine 10 Meter entfernt von dem Löwenrudel, und beobachten eine ganze Weile, wie sie in Reih und Glied ihren Durst löschen. Kein anderes Tier ist weit und breit in Sicht, wenn der König der Tiere zum Wasserloch schreitet! Ein erhabenes Gefühl beschleicht uns, diese prächtigen Tiere in freier Wildbahn aus nächster Nähe beobachten zu können und in diesem Moment ganz für uns alleine zu haben.
Es folgt der mit Sicherheit atemberaubendste Sonnenuntergang, den wir je in unserem Leben gesehen haben – es ist die reinste Farbsymphonie in Rot und Blautönen, nahezu kitschig anmutet. Die mannshohen Termitenhügel machen die Pan zu einer bizarren Mondlandschaft.
Zurück in unserem Camp errichten wir in aller Eile unser Lager. Da die Sonne bereits untergegangen ist, müssen wir im Schein des Campfires und unserer Gaslampe aufbauen. Wir kochen in unserem Potjie eine Linsensuppe mit Rindfleisch und viel Gemüse. Der Eintopf schmeckt galaktisch und das liegt definitiv nicht nur an der stimmungsvollen Umgebung. Jetzt, da wir wenige Minuten zuvor Löwen real gesehen haben, erhält das mulmige Bauchgefühl in stockdunkler Nacht am Lagerfeuer einen deutlichen Realbezug und wir leuchten häufiger als gewohnt den Busch nach leuchtenden großen Augenpaaren ab.
"Jetzt fehlt nur noch der Schrei der Kalahari zu unserem Bild, das wir uns in unserer Phantasie vor der Reise ausgemalt haben“, sagt Corinna und meint damit das vom Ehepaar Owens in ihrem Buch beschriebene Heulen der Schakale. Wir haben in der Kalahari bereits nach zwei Tagen mehr gesehen, als wir es uns zuvor in dieser Jahreszeit erträumt hatten. Sicher liegt es auch daran, dass alle künstlichen Wasserstellen mittlerweile ganzjährig in Betrieb gesetzt worden sind, die Migration der Tiere daduch beeinflusst wird und sie sich hier auch zur Trockenzeit in einem deutlich kleineren Territorium bewegen können.
22. September 2013, CKGR, Piper Pan – Kori Pan, 153 Kilometer, 4:50 h
Kampf auf Leben und Tod: Schabrackenschakal vs. Schwarze Mamba
Zum Sonnenaufgang packen wir lediglich unser Dachzelt zusammen und begeben uns sehr früh auf Pirschfahrt. Highlight unserer Runde ist eine Braune Hyäne, die schnell das Weite sucht, als sie uns erblickt. Diese Tiere sind sehr scheu und schwer zu sehen, da sie nachtaktiv sind. Am Wasserloch haben wir schon wieder großes Glück: Zwei Löwenmännchen, etwas größer und älter als die „sechs Jungs“ von gestern, haben sich zu einer morgendlichen Siesta eingefunden. Sehr schön erkennbar ist bereits der Ansatz einer schwarzen Mähne, die für Kalahari-Löwen typisch ist. Zahlreiche Oryx-Antilopen und Gnus stehen wie die Orgelpfeifen aufgereiht um das Löwenrudel herum. Erstaunlich, dass sich viele Wildtiere so nahe an die Gefahrenquelle heranwagen. Wahrscheinlich wissen sie ganz genau, dass die Löwen heute Morgen nicht in Jagdlaune sind. Keiner wagt es allerdings unmittelbar an das Wasserloch heranzutreten, lediglich die kleinsten aller umstehenden Tiere, zwei tapfere Warzenschweine, nehmen allen Mut zusammen, und gehen das Wagnis ein.
Common Warthog (Warzenschwein)
Einige Geier warten am Wasserloch geduldig auf ihre Chance und ein mögliches morgendliches Festmahl. Doch machen die Löwen ihren Plänen einen Strich durch die Rechnung, denken nach wie vor nicht daran auf Jagd zu gehen, sondern räkeln sich anstattdessen lieber träge in der Morgensonne unter einem Dornenbusch.
Oryx-Antilopen mit Weißrückengeiern (White-backed Vultures)
Zurück im Camp gibt es ein ausgiebiges Frühstück mit Eiern und Speck. Unsere Tagesetappe führt uns zurück zum Deception Valley, dieses Mal allerdings via Tau Pan und die sogenannte „Cutline“. Nachdem wir auf der ruppigen „Wellblech-Sandpiste“ auf den ersten 20 Kilometern eine Stunde lang erneut kräftig durchgeschüttelt worden sind, wird es nach der Abzweigung nach Phokoje wieder deutlich angenehmer. Die Landschaft entlang der Piste ist zwar relativ monoton, aber zumindest sehr gut befahrbar.
Ein spektakuläres Erlebnis wartet auf uns in der Phokoje Pan. Schon aus der Entfernung beobachten wir einen Schabrackenschakal, der direkt auf unser Auto zugerannt kommt. Vor unseren Augen entdeckt er in einem Gebüsch eine gut zwei Meter lange, armdicke Schwarze Mamba, eine der gefährlichsten Schlangen in ganz südlichen Afrika. Ihr Biss führt beim Menschen unbehandelt innerhalb kürzester Zeit zum Tod. Ein Festmahl bahnt sich an! Sofort entfacht ein Kampf auf Leben und Tod. Der Schakal versucht seine scharfen Zähne hinter den Kopf der Schlange zu rammen, während die Mamba ihrerseits sich immer wieder aufbäumt, um zum tödlichen Biss anzusetzen. Geschickt weicht der Schakal den Angriffen der Schlange aus, und schließlich ist der ungleiche Kampf vorüber. Die Gegenwehr der Mamba erlahmt und der Schakal beginnt genüsslich, seine Beute im Ganzen zu verspeisen.
Schabrackenschakal mit Schwarzer Mamba
Der Loop der Tau Pan gibt nicht sonderlich viel her, lediglich einige verstreute Antilopen bekommen wir zu Gesicht. In der Tau Pan befindet sich eine superteure Luxuslodge, erhöht auf einer Düne gelegen. Alle Gäste werden in die Lodge eingeflogen, um ihnen die „Strapazen“ der Anreise zu ersparen. Nach unserer Runde fahren wir direkt weiter in Richtung Deception Valley. Unterwegs auf der „Cutline“ haben wir noch eine unerwartete Begegnung mit zwei jungen Giraffen, die sich am frischen Grün der Akazien gütlich tun.
Wir richten uns wieder im Camp Kori 4 ein, bauen aber noch nicht unser Zelt auf, da wir abends noch einmal ins Deception Valley hineinfahren wollen. Wieder graben wir unsere kleine künstliche Wasserstelle ein und nach einer Weile stürzen sich auch schon zahlreiche Vögel auf das kühle Nass. Sie werden schnell vertrieben von zwei Hörnchen, die Anspruch auf das Wasser erheben.
Am Abend begeben wir uns auf die Spuren von Delia und Mark Owens und finden anhand der Skizze in ihrem Buch das ehemalige Camp unter einer Akaziengruppe. Das Hinweisschild, das hier einmal aufgestellt war, wird regelmäßig von Souvenirjägern entwendet und daher wahrscheinlich gar nicht mehr erneuert. Wir entdecken lediglich den Pfeiler, an dem es offenbar einmal befestigt gewesen ist. Der Airstrip, der von den Owens angelegt worden ist, scheint mittlerweile ziemlich überwuchert zu sein.
Wir entfachen unser Campfire und kochen heute mal vegetarisch. Corinna kann Rinderfilet in den unterschiedlichsten Variationen fast schon nicht mehr sehen! Es gibt Spaghetti und einer Tomatensoße mit Oliven, Kapern und Zwiebeln und einem Schuss Piri Piri. Beim zu Bett gehen erschrecke ich Corinna fast zu Tode: „Vorsicht, ein Skorpion“, schreie ich. Ihr Fuß kommt nur Zentimeter vor dem nachtaktiven Räuber zum Stehen. Skorpione greifen nur an, wenn sie sich bedroht fühlen. Ihr Stich ist zwar nicht lebensbedrohlich, aber sehr schmerzhaft. Uff, das hätte ins Auge gehen können!
< Central Kalahari 1 Khumaga >
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